Die Spendenaktion ist beendet! Danke, Danke, Danke!

Mehr als 400.000 Euro sind es mit den Spenden aufs Konto insgesamt geworden. Der Hof ist schuldenfrei. Christian Bachler hat den Paypal-Pool geschlossen, die Rettungsaktion ist beendet, er ist überglücklich und wartet jetzt, ob alles nur ein Traum war.
Danke. Danke. Danke. Danke. Danke. Danke

Was mit dem Spendengeld weiter passiert

Viele wollen nun wissen, was mit all dem Spendengeld passiert. Hier die Offenlegung.
Bachlers Anwalt Michael Pilz hat heute an den Anwalt der Raiffeisen-Bank Murau einen Brief geschrieben und darin die völlige Tilgung der offenen Kredite angeboten.
Unter anderem wird mitgeteilt, dass Bachler auch einen Anteil an einer Agrargemeinschaft um 160,000 Euro verkaufen wird, (also eine Alm), um die Schulden zu tilgen.
Ein Kaufvertragsentwurf wurde beigelegt. Da die Raiffeisen Murau zum Teil horrende Überziehungszinsen und hohe Anwaltskosten (15.000 Euro) verlangt, hofft Bachler natürlich, dass auch die Bank entgegenkommt und den Bergbauer hier entlastet.
Die Hoffnung stirbt zuletzt, vielleicht geschieht ja noch ein Weihnachtswunder.

Hier der Brief von Bachlers Anwalt im O-Ton:

„Sehr geehrter Herr Kollege Dr. XXX,
vielen Dank für Ihr Schreiben. In der Anlage übersende ich vorerst den mir am letzten Freitag zugegangenen Vertragsentwurf des Herrn Notar Mag. M. aus Murau betreffend die Veräußerung der Anteile unseres Mandanten an der Agrargemeinschaft Klausnerberg. Ich darf um Durchsicht und Rückäußerung, insbesondere zur Mechanik der Lastenfreistellung ersuchen.
Wir haben die vergangenen Wochen für Gespräche zur Umschuldung mit verschiedenen Bankinstituten genutzt. Da diese nicht so verlaufen sind, wie wir dies erwartet hatten, haben wir parallel an der Implementierung einer Crowd-Funding Kampagne für Herrn Bachler gearbeitet, von der wir uns eine teilweise Finanzierung des Obligos erwartet haben, um die Umschuldung dann leichter vornehmen zu können.
Vielleicht ist es auch Ihnen gestern zur Kenntnis gelangt: Das Echo auf den Spendenaufruf für Herrn Bachler war überwältigend. Seit gestern, Sonntag, 9 Uhr 30, ist ein Gesamtbetrag von mehr als EUR 282.000 zu Gunsten des Herrn Christian Bachler gespendet worden. Wir haben Anlass zur Hoffnung, dass der zur vollständigen Kredittilgung (nach Abzug des Erlöses für die Anteile an der Agrargemeinschaft) erforderliche Betrag von gesamt EUR 318.985,04 noch bis Ende der Woche zusammen kommt.
Herr Christian Bachler wird daher voraussichtlich noch vor dem Jahresende in der Lage sein, das Obligo bei dem geschätzten Institut Ihrer Mandantin vollständig zur Rückzahlung zu bringen. Bitte nehmen Sie Kontakt mit mir auf und teilen mir mit, welcher Betrag an wen bzw. auf welches Konto zur Tilgung zur Einzahlung zu bringen ist.
Die Finanzierung der Miete einer Lokalität für die Versteigerung scheint vor diesem Hintergrund nicht erforderlich.
Gerne stehen wir für Rückfragen zur Verfügung.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Michael Pilz

FREIMÜLLER / OBEREDER / PILZ

RECHTSANWÄLT_INNEN GMBH“



Mag. Michael Pilz
Rechtsanwalt

A-1080 Wien, Alser Straße 21″

Wir danken Euch!

Wir sind sprachlos. Das Unmögliche wurde möglich. Den Zweiflern zum Trotz. Wir haben unser Ziel erreicht!

Die Bank gewinnt nicht – wir haben Raiffeisen einen Dämpfer verpasst.

Bachlers Leben wir im Jänner nicht im Murauer Gemeindesaal versteigert. Dank Euch!

Wir stehen Sonntagabend, dem ersten Advent, bei rund 250.000 Euro.

Bei 260.000 Euro ist Bachler all seine Schulden los, dann braucht es keine Umschuldung mehr. Jeder gespendete/ erwirtschaftete Euro geht dann nicht mehr an die Bank, sondern fließ als Investment in den Bergbauernhof. Was passiert, wenn darüber hinaus gespendet wird? Dann fließt das Geld aus dem Verkauf der Agraranteile nicht wie vorgesehen in die restliche Schuldentilgung, sondern wird eins zu eins in neue Projekte am Hof investiert.

Der Spendenerfolg ist Anfang wie Auftrag

Damit ist es aber nicht getan. Der Spendenerfolg ist überwältigend und er ist ein Auftrag.

Christian Bachler wird noch lauter und noch streitbarer sagen, was Sache ist. Er wird weiter dafür streiten, dass nicht mehr nach Fläche, sondern nach Qualität gefördert wird. Nicht mehr nach Lebendgewicht, sondern nach Tierwohl gefördert wird. Bachler wird weiter gegen den Raiffeisen-Konzern und die Agrarlobby ausreiten und er hat eine Botschaft im Gepäck: Es lohnt sich, nicht zu kuschen, sondern sagen, was Sache ist.

Der Spendenerfolg hat gezeigt, dass sich Widerstand gegen dieses kaputte Agrarsystem regt. Jede einzelne Spende war Ausdruck dessen, dass sich die Menschen eine andere Form der Landwirtschaft wünschen. Nachhaltiger, vielfältiger und fair. Nicht gegen die Natur, sondern mit ihr.

Rettet Bachlers Bergbauernhof!

HIER KÖNNEN SIE SPENDEN

Die Bank gewinnt immer, egal, wie hart man arbeitet. Die Erfahrung macht – stellvertretend für viele Bauern – gerade Christian Bachler.

Er ist Bergbauer auf der Krakauebene, er bewirtschaftet den höchst gelegenen Hof der Steiermark. Er sagt, was er sich denkt, er verweigert sich der Massentierhaltung, er kritisierte die Behörden, er versucht hier den Traum einer ökologischen Landwirtschaft zu leben. Er warnt vor den Folgen des Klimawandels in den Alpen. Im letzten Jahr wurde er von Medien, Politikern und Experten hofiert, eingeladen und immer wieder als Vorbild präsentiert.

Aber jetzt ist er unter großem Druck seinen Hof zu verlieren. Die Raiffeisen-Bank Murau stellte seine Kredite fällig und will seinen Hof versteigern lassen, seine Schuldenlast droht ihn zu erdrücken. Er hat bereits einige Almen zum Verkauf angeboten, um seinen Hof, seine Tiere und die Existenz seiner Familie zu retten. Er hat einen Sanierungsplan, um seinen Betrieb in den nächsten Jahren aufrecht zu erhalten. Aber um all das zu schaffen, braucht der Wutbauer unsere schnelle Hilfe mittels Crowdfunding. Über dieses Paypal-Konto könnt auch ihr einen kleinen Beitrag leisten, dass Bachlers Welt weiter bestehen kann und seine Tiere weiter auf dem Hof verbleiben.

Jede Spende an Bachler geht direkt an ihn. Jede Spende wirkt. Macht mit, retten wir Bachler Hof. Man kann bei ihm übrigens auch Fleisch kaufen, Urlaub machen oder in seinen Almen wandern. Eine große Reportage über Bachler und seine Landwirtschaft findet ihr hier. Hier findet ihr das Paypal-Konto, auf dem ihr spenden könnt.
Oder direkt auf das Konto von Christian Bachler: AT67 1912 0011 7360 7010

(Florian Klenk)

„Wenn ich aufgebe, gewinnt Raiffeisen“

Christian Bachler im Gespräch mit Christina Aumayr-Hajek über sein Leben, seinen Hof, seine Schulden und die Angst, seine Existenz an die Bank zu verlieren.

Wie begann eigentlich Deine Geschichte mit dem höchstgelegenen Bergbauernhof der Steiermark?

Klassisch. Ich war der älteste von zwei Buben und habe den Hof mit 20 Jahren direkt nach der Schule und Ausbildung übernommen. Ich war im Dauerclinch mit meinem Vater, weil ich alles anders machen wollte. Mehr Produktivität und endlich wieder investieren. Ich wollte richtig Gas geben, und ich wusste, wir müssen investieren, sonst stagnieren wir. Ich habe keinen Bergbauernhof übernommen, um den Stillstand zu verwalten, sondern um Bäume auszureißen. Heute würde ich von Beginn an alles anders machen.

Hast Du den Bergbauernhof bereits mit Schulden übernommen?

Nicht mit Schulden, aber mit einem großen Investitionsrückstau. Damit ist der erste Kredit vorprogrammiert, weil unser Hof nicht genug abwirft, um aus dem Ertrag heraus zu investieren. Wer in der Landwirtschaft investiert, hat davor entweder Grünland in Bauland umgewidmet und verkauft, oder er geht zu Raiffeisen, und Raiffeisen gibt einen Kredit. Eine dritte Möglichkeit hat mir noch keiner vorgehüpft. Als ich den Hof übernommen habe, waren unser Fuhrpark und der Stall desolat, an Tierwohl ist bei einem alten Stall aber nicht mehr zu denken. Also habe ich die notwendigen Maschinen gekauft, den Stall modernisiert und in eine Melkanlage investiert.

Wie war Deine Idee von Landwirtschaft, wie würdest Du die Stimmung damals beschreiben?

Größer, weiter, schneller. Dieses Denken prägt bis heute die konventionelle Landwirtschaft. Die gesamte Agrarpolitik basiert auf Quantität vor Qualität, gefördert wird nach Größe, Kontingenten und Obergrenzen. Als Bauer eines konventionellen Betriebs kannst du hier nur ständig nachhüpfen, um die geforderten Obergrenzen zu daglengen, sonst fällst du durchs Förderschema. Ein Nachbar gab 2004 seinen Hof auf, und wir haben einen Teil seiner Grundstücke gekauft. Ab 2006 begannen wir uns auf Milchkühe zu spezialisieren, zuerst nur 35, dann 70 Kühe. Laufend wurden uns Investitionsförderungen versprochen, die Kredite wurden uns Bauern nachgeworfen. Immer mit dem Sound von Raiffeisen und Bauernbund, wer nicht investiert, bleibt auf der Strecke. Was stimmt, aber man bleibt als kleiner Bergbauer in dieser Maschinerie immer auf der Strecke.

Wann wurde Dir zum ersten Mal bewusst, dass sich das nicht rechnen kann?

2009 kam die erste Milchpreiskrise mit einem dramatischen Preisverfall. Wir haben beim ersten Kredit 32 Cent netto pro Liter Milch kalkuliert, damit sich unser Betriebskonzept rechnet. Plötzlich rasselte der Milchpreis auf 23 Cent netto pro Liter Milch. Das sah nicht gut aus. Davor lag der Milchpreis bei rund 40 Cent netto pro Liter.

Das war aber nicht der einzige Rückschlag …

Nein, eine Katastrophe kommt selten allein. 2009 wurden die Almflächen neu berechnet, das hatte zur Folge, dass mit einem Schlag für einen Großteil der Almfutterflächen keine Fördergelder mehr ausbezahlt wurden. Das war dramatisch, weil wir das Fördergeld zur Schuldentilgung kalkuliert hatten. Dann hagelte es Rückforderungen der Agrarmarkt Austria. Durch die offenen Rückforderungen der Agrarmarkt Austria wurden keine Förderungen mehr ausbezahlt. Also wieder ein Kredit.

Wie ging es dann weiter?

Gar nicht mehr. Ich war am Ende meiner Fahnenstange. Am Land redet man nicht über Krisen, Männer schon gar nicht. Heute kann ich sagen, ich war mit meiner Belastbarkeit am Ende und in einer tiefen Krise. Das hatte aber etwas Gutes. In der Krise fing ich zu lesen an. Mit dem Lesen kam das Nachdenken über das, was ich da eigentlich mache. Wie ich Landwirtschaft lebe. Da dachte ich mir zum ersten Mal, dass wir doch einen kompletten Vogel haben. Wir füttern auf 1.450 Meter Seehöhe Eiweißfutter aus Übersee und halten 950 Kilo schwere Milchkühe, die sich auf unseren Almen kaum mehr bewegen können, weil sie zu schwer sind. Wir hackeln rund um die Uhr, um für unsere hochgezüchteten Nutztiere eine künstliche Umgebung bei maximalem Ressourcenverbrauch zu schaffen, statt heimische Viecher bei geringem Ressourcenverbrauch in einer natürlichen Umgebung zu halten. Blöder geht’s eigentlich gar nicht.

Was war Deine Rettung?

Zwei Mangalitza-Ferkel und ein Buch über alte heimische Tierrassen. Die zwei Ferkel hat mir damals meine Freundin geschenkt und damit einen Prozess ausgelöst, der bis heute anhält. Ich habe viel über alte Rassen, den Klimawandel und die Almwirtschaft gelesen. Mit Bio-Landwirtschaft und Direktvermarktung stand ich bis dahin ja auf Kriegsfuß. Diese Bedenken habe ich über Bord geworfen. 2013 kam die erste Dürre, und wir haben mit Hausschlachtungen und Direktvermarktung begonnen. Mein Tierarzt hat sich jedes Jahr einen neuen Jeep gekauft, während meine Schulden gewachsen sind. Warum? Weil Tierärzte mit gestressten Tieren gut verdienen. Die Gewinnspanne auf Antibiotika ist nämlich attraktiver als auf natürliches Grünlandfutter. Eine heimische Almkuh wiegt nur 650 Kilogramm und kommt mit der Alm zurecht. Eine Kuh, die sich bewegt, bleibt auch gesund. Und wer selbst schlachtet und vermarktet, braucht keinen Zwischenhandel mehr. Wir haben alles umgestellt. Dieses Wachsen in der Masse ist dumm, wir müssen in der Wertschöpfung wachsen!

Wie startet man eine Direktvermarktung auf 1.450 Meter Seehöhe?

Mit Facebook und Airbnb. Da schaust jetzt, oder? Mittlerweile waren Gäste aus vier Kontinenten und 60 Nationen bei uns am Bergbauernhof. Wir verkaufen unsere Produkte nur mehr über Direktvermarktung und haben mehr Anfragen, als wir bedienen können. Wir haben die Melktechnik verkauft und halten die Rinder jetzt zur Fleischerzeugung. Meine Rinder fressen statt Getreide nur mehr Grünfutter. Das schmeckt man auch, den Rosmarin und Thymian isst man bei unserem Fleisch mit. Aus den zwei Mangalitza-Ferkeln zur Selbsttherapie wurde 100 Freilandschweine, die das ganze Jahr draußen sind – das machen in der Höhenlage nicht viele. Die Schweine leben bei uns mit den Puten zusammen, die Schweine halten den Puten die Raubtiere vom Leib, und die Puten halten den Schweinen die Insekten vom Leib.

Ich habe jetzt überall gesunde Herden, es braucht nämlich, bis man lernt, wie das wirklich funktioniert. Der Tierarzt schaut jetzt nur mehr selten vorbei. Meine Tiere sind jetzt glücklich. Unser Schwein wächst dreimal so langsam wie ein konventionelles Schwein, aber das Fleisch ist gesund und ein Geschmackserlebnis. Dafür lohnt es sich, dass das Schwein dreimal so viel frisst wie ein konventionelles Schwein. Ich bin jetzt der Bauer, der ich immer sein wollte. Wir schaffen ein großartiges Leben für das Vieh und ein tolles Produkt für den Konsumenten. Das ist es, was ich will. Wir Bauern müssen wieder vielfältiger und freier werden und endlich die Pappn aufreißen.

Warum trauen sich das die wenigsten?

Weil Bauern unfrei und abhängig sind. Bauern sind Staatsangestellte, die rund 60 Prozent ihres Einkommens aus Förderungen und damit vom Steuerzahler beziehen. Aber was passiert, wenn eine Wirtschaftskrise kommt und die Steuereinnahmen wegbrechen? Das blenden die meisten Bauern aus. Wir müssen raus aus den Förderungen – das ist Schweigegeld. Ich habe das System immer wieder kritisiert, und was passiert dann? Am nächsten Tag steht ein AMA-Kontrolleur vor der Tür, und solange der dann seinen Prüfbericht nicht abgeschlossen hat, fließt auch keine Förderung, und ohne Förderung kannst du die Kreditrate nicht bedienen. Das erklärst du dann mal der Bank – und die Bank gewinnt immer.

Bei einer Dürre gehen 50 Prozent der Dürreförderung an Raiffeisen, und Raiffeisen vergibt an die Bauern verbilligte Kredit, damit die wiederum hochsubventioniertes Futter im Lagerhaus kaufen können. Der einzige Kreislauf, der in diesem irren System funktioniert, ist der vom Raiffeisen-Konzern. Ich habe meinen Förderanteil auf 20 Prozent meines Einkommens gedrückt. Die Förderung geht direkt in die Zinstilgung. Aber egal wie gut mein Bergbauernhof bewirtschaftet wird, egal wie viel Arbeit ich hineinbuttere, am Ende frisst der Kredit alles.

Du bist jetzt der Bergbauer, der Du immer sein wolltest, und stehst doch am Abgrund. Du wolltest diese Spendenkampagne für Dich am Anfang nicht. Warum jetzt doch?

Ich kann diesen Hof seit 2015 als Biobetrieb wirtschaftlich gut führen, aber ich habe keine Chance, vom Ertrag zu leben, laufend zu investieren und diesen Kredit zu bedienen. Die Schuldenlast verhindert jedes Weiterkommen. Ich verkaufe jetzt Anteile an einer Agrargemeinschaft, um von der Schuldenlast runterzukommen, aber dann bleiben immer noch 300.000 Euro übrig. Ich bin jetzt so weit gekommen, jetzt kämpfe ich auch. Mein Betrieb ist stabilisiert. Wenn ich jetzt kapituliere, bin ich einer von drei Bauern, die täglich ihren Hof aufgeben. Dann gewinnt Raiffeisen. Dann kauft ein reicher Deutscher die Gründe zur Eigenjagd, und eine holländische Kette macht aus dem Hof ein Chalet-Dorf.

Wenn Du gegen Raiffeisen verlierst, was passiert dann mit Deiner Alm?

Das, was mit allen Almen passiert: Die Alm verbuscht. Diesen Kampf um die Alm haben die meisten Bergbauern längst aufgegeben. Almwirtschaft rechnet sich nicht. Aber an der Alm hängt mein Herz, und verlieren wir die Almen, können wir im Kampf gegen den Klimawandel einpacken. Die Almen sind unsere wichtigste Ressource im Kampf gegen den Klimawandel, aber kaum einer hat die Kompetenz dafür und tut sich diese Arbeit noch an. Almwirtschaft heißt für mich, dass ich im Sommer täglich drei Stunden wie eine Bergziege auf den Beinen bin. Entweder allein oder auf einer von mir geführten Almwanderung. Die Schuldenlast erdrückt mich, aber wenn ich Menschen die Alm erkläre, bin ich bei mir. Dann weiß ich wieder, wofür das Ganze. Denn im Gegensatz zur Landwirtschaft in Gunstflächen arbeiten wir hier oben rund um die Uhr für einen Bettel.

Was sind Gunstflächen?

Die Filetstücke in der Ebene. Alles, wo man mit dem Traktor noch gut hinkommt. Die Landwirtschaft konzentriert sich nur mehr auf diese Gunstflächen. Die meisten kapitulieren und treiben die Rinder für 60 Tage raus, das reicht für die Förderung, und pflegen nur mehr, was sich mit dem Traktor befahren lässt. Aber was machen wir, wenn unten alles verdorrt? Dann gehen wir wieder auf die Alm, in die höheren, kühleren Lagen. Aber dann ist es zu spät, weil da oben keiner mehr ist, der weiß, wie Almwirtschaft funktioniert, und weil dann längst die Almen verbuscht sind. Darum gebe ich diese Alm nicht auf! Darum habe ich eine Yak-Herde auf der Alm, die fressen sich nämlich täglich durch die Kampfzone. Rinder fressen keine Heidelbeer- und Wachholderstauden, aber wenn diese Stauden nicht mehr gefressen werden, wächst kein Gras mehr, und die Alm ist verloren. Schafe und Ziegen sind unverkäuflich, mit den Fleischimporten aus Neuseeland kann kein heimischer Bauer mithalten. Aber wir brauchen die Schafe und Ziegen — sie pflegen die Alm. Aber die Hochalmen werden sich selbst überlassen oder an Gestopfte zur Eigenjagd verkauft. Die Alm rechnet sich nicht. Wenn ein Ochse nach drei Monaten von der Alm kommt, ist er fit wie ein Turnschuh, aber nicht gemästet. In unserem System zählt aber nur das Lebendgewicht zu einem bestimmten Lebenstag. Was der Ochse gefressen hat und ob er gesund ist, interessiert niemanden.

Wovon träumst Du?

Von meinem Hof und meiner Alm – aber ohne Schuldenlast. Von dem, wie meine Viecher hier oben leben. Ich will kein anderes Leben, ich bin endlich dort, wo ich immer hinwollte. Ich will, was ich weiß, auch weitergeben. Ich habe mir dieses ganze Wissen nicht angelesen und angelernt, um jetzt den Hut draufzuhauen. Ich habe nicht mein bisheriges Leben parabert, damit jetzt alles, was ich weiß, verloren geht. Klimaanpassung ist Almwirtschaft, das hat nur noch keiner kapiert.

Was braucht Du, um weitermachen zu können?

Wenn wir es schaffen, 150.000 Euro an Spenden aufzutreiben, kann ich meinen Bergbauernhof und die Alm retten. Dann muss ich immer noch einen Kredit mit rund 120.000 Euro bedienen, aber das ist zu schaffen. Dann wird mein Leben nicht im Murauer Gemeindesaal versteigert.

BACHLERS WELT

DIE GEFÄHRDETE WELT DES BERGBAUERN CHRISTIAN BACHLER.
EINE REPORTAGE VON FLORIAN KLENK


Eigentlich sollte es schon richtig kalt sein in der Krakau, diesem verwunschenen Winkel der Obersteiermark, benannt nach den „Kra“, den hungrigen Krähen. Sie picken die Silage-Ballen auf, zum Ärger von Christian Bachler. Auf die Vögel darf man nicht schießen. Im Gegensatz zu den Hirschen, die hier noch immer nicht so richtig mit der Brunft beginnen. Es ist ihnen noch zu heiß für den Sex.

Fünf, sechs Grad sollte es hier haben. „Wir sollten eigentlich zu dieser Jahreszeit Wollhauben tragen“, sagt Christian Bachler, der den am höchsten gelegenen Bergbauernhof der Steiermark bewirtschaftet. Aber wir stehen in kurzen Hosen in der steirischen Krakauebene, weil ich ein Versprechen einlösen muss, das ich ihm im März gegeben habe. Er hatte sich damals über mich geärgert, sehr geärgert, richtig zornig wurde er.

“Dann ist der Wirbel losgegangen“

Bachler, 37 Jahre, sah mich auf Servus TV über das sogenannte Kuh-Urteil diskutieren. Ich hielt es, anders als die meisten Kommentatoren, für gerecht. Die Tragödie spielte sich in Tirol ab, weitab der Krakauebene, aber sie hätte auch Bachler passieren können. Eine Mutter war von einer Kuh zu Tode getrampelt worden. Ihr Kind und ein schwer traumatisierter Ehemann ­hatten deshalb nicht nur Trauerschmerzensgeld zugesprochen be­kommen, sondern auch eine kleine Rente.

Ich fand das gerecht. Bachler aber war so wütend auf mich, dass er sich in sein Schweinegehege auf 1450 m Seehöhe stellte und eine Protestrede gegen mich in sein Smartphone sprach. Mehrere Male musste er die Rede wiederholen, weil die Beschimpfung zu derb ausgefallen wäre, wie er mir heute gesteht. „Herr Klenk, steigen Sie oba vom hohen Ross in der Bobo-Bub­ble in Wien!“ Keine Ahnung hätten die „Oberbobos“ und der „Oberfalter“ von der Lage der Bauern. Ich solle ein Praktikum absolvieren. Bachlers resolute Mutter, eine stille, an der Welt interessierte Frau, sagt heute etwas verschmitzt: „Dann ist der Wirbel losgegangen.“ 253.000 Menschen sahen das Facebook-Video. Wutbauer versus Oberbobo, schrieb die Kleine Zeitung. Land gegen Stadt, sozusagen. Aber ist es so einfach?

Heute weiß ich: Bachler geht es um mehr als um das Urteil, er will aufklären, seine Welt zeigen. Er führt Beschwerde über die Agrarpolitik.

Am Telefon sagte mir Bachler noch, ich solle warme Sachen einpacken. Feste Bergschuhe, dicke Jacken, der Winter könne schnell hereinbrechen. Jetzt brennt uns die Sonne ins Gesicht, die Hitzetage nehmen kein Ende.

Bachler holt mich mit seinem staubigen Auto ab. Es mache ihm nichts aus, 20 Kilometer nach Murau zu fahren, sagte er, er müsse ohnedies noch ins Lagerhaus. Und so halte ich mich auf einmal in Regalgängen auf, die ich noch nie betreten habe. Es gibt hier „Stallfliegenkonzentrat“ zu kaufen, Antigeruchsmützen, „Euterpapier“ und „Silo-Reparaturband“ für die von den Krähen aufgerissenen Ballen.

Bachler hält eine blaue Tinktur namens Closamectin in der Hand, und dann nimmt er noch eine Dose Steinöl um 40 Euro aus dem Regal. „Wir brauchen die Schmiere für die Hörner der Yaks“, sagt er. Die würden von Pferdebremsen gequält, die neuerdings auch in den Hochalpen schwirren. Yaks? Yaks.

Die Rindviecher hat Bachler im Winter auf Willhaben entdeckt. Sie sollen die Schäden des Klimawandels reduzieren. Er will sie auf seiner Alm ansiedeln, weil sie die Rasenschmiele fressen, ein spitzes Gras, das einen wie ein Nadelkissen in den Hintern sticht, wenn man sich mit der kurzen Hose versehentlich draufsetzt. Die Hitze habe das Gras noch widerborstiger gemacht. Man brauche bald Schnittschutz­hosen auf der Alm, sagt Bachler.

Früher haben die Bauern deshalb Schafe oder Pferde auf die Alm getrieben, mit ihren Zähnen rupften die Viecher die Halme einfach weg, die Kühe hingegen verschmähen das rasiermesserscharfe Zeug. Aber Schafe gibt es hier auf den steirischen Almen kaum noch. „Auch du kaufst wahrscheinlich neuseeländisches Importlamm beim Billa“, sagt Bachler.

Die Yaks sind aber auch Opfer des Klimawandels, so wie alle Rinder hier. Die Klimakrise dringt in Form des Leberegels in ihre Körper. Versteckt in kleinen Wasserstellen schlummert der „Teufel“, wie Bachler ihn nennt, als Parasit in der Zwergschlammschnecke. Die wiederum klettert dank der Wärme immer höher auf die Almen. Und weil diesen Sommer die sonst so glasklaren Bäche austrocknen, stillt das Rind seinen großen Durst in sumpfigen Pfützen. Und da schlabbert es die Zwergschlammschnecke samt Leberegel mit. Langsam frisst sich der Egel dann durch die Innereien. Deshalb schüttet Bachler das blaue Closamectin auf den Rücken der Yaks, die Tiere nehmen die Medizin über die Haut auf. Aber da beginnt schon das nächste Problem: Wenn die Mistkäfer über die Kuhfladen der behandelten Yaks krabbeln, fressen auch sie das Closamectin – und sterben sofort. Und so bleiben die Kuhfladen liegen, bis zu zwei Jahre lang. Und die Almen bleiben ungedüngt.

Alpine Willhaben-Yaks mit Leberegel, kurze Hosen statt Hauben und Fladen, die nicht mehr verrotten: Ein paar Minuten mit Bachler zeigen mir, dass da etwas durcheinandergeraten ist in den Alpen. Globalisierung, Fleisch­industrie und Klimakrise verändern das hinterste Gebirgstal.

Ich bin mit dem Zug zu Bachler gereist, vier Stunden sind es von Wien. Die Waggons der Murtalbahn dürften etwa 30 Jahre nicht erneuert worden sein. Im Jänner hat ein Waggon sogar Feuer gefangen, ein Kabelbrand. Nur Schüler und Pensionisten sind auf den alten Dieseltriebwagen angewiesen. Auf alten Stahlbrücken kreuze ich die Mur, Traktoren wenden Heu, der Mais steht prächtig im Feld.

„Die Region liegt darnieder. Lass Dich von der Kitschkulisse nicht täuschen“

Bachler aber sagte schon bei der Begrüßung am Bahnhof, man solle sich von der Kitschkulisse nicht täuschen lassen. Die Region liege darnieder, in den letzten 20 Jahren sei ein Drittel der Leute weggezogen. Vor allem die Bauern seien in Not: weil die Hitze die Wiesen habe verdorren lassen. Weil das Futter daher immer teurer werde. Weil die Bauern deshalb das Vieh abverkauften und die Preise fielen. Die Leute seien verzweifelt, sie wählten vermehrt Blau, sagt Bachler, die Roten und Schwarzen seien Sündenböcke. Zumindest würden die Menschen an den Stammtischen so daherreden, wenn es überhaupt noch Stammtische gibt. Die Wirtshäuser­ verschwinden hier ebenso wie die Schulen, weil es keinen Nachwuchs mehr gibt.

Ja, Bachler redet sich in Rage in seinem staubigen Auto, mit dem wir nun vom Bahnhof zu seinem Hof aufbrechen. Er klingt jetzt wie in seinem Wutvideo. Aber er ist kein Wutbürger. Er ist ein messerscharfer Kritiker der Agrar- und Klimapolitik. Und er hat gute Argumente. Politiker, die das Billigschnitzel verherrlichen, sollten auf einen wie ihn hören.

Vom Bahnhof Murau ist es eine halbe Stunde zu Bachlers Anwesen in Krakauhintermühlen. Die letzten Kilometer sind immer noch nicht asphaltiert, dabei schuften hier seit 900 Jahren Bauern am Berg, wie Bachler herausgefunden hat. Auch das Handynetz ist schlecht. Für Bachler ist das ein echtes Problem: Über die Zimmervermietungsplattform Airbnb vermietet er seinen ausgebauten Dachboden, sogar Chinesen kämen nun vorbei, erzählt er, seltsame Leute, die auch in sein Schlafzimmer hineinfotografieren würden. Über seine Facebook-Seite vermarktet er sein Biofleisch.

Bachler will kein Modernisierungsverweigerer sein, er denkt an die Zukunft, er will eine Wende, er lebt hier vor, wie es gehen könnte. Er macht sich schlau, wann immer es geht. Sogar auf der Toilette stapeln sich Fachbücher über Almwirtschaft und Wurstproduktion. Am Smartphone liest er Reportagen der Hamburger Zeit über Ausbeutung auf Schlachthöfen oder stöbert in Google Scholar in alten Urkunden. Kürzlich fand er Gehaltslisten von Bergknappen, die in den umliegenden Bergen nach Gold schürften, zu Beginn des 15. Jahrhunderts war das. Das Tal hier hat eine lange Geschichte.

Schon nach wenigen Stunden auf seinem Hof lerne ich, was ihn bewegt: Die Entschädigung an die Kuhopfer ist es nicht. Es geht um die Lasten, die den Bauern in den letzten Jahrzehnten aufgebürdet wurden. Die bürokratischen Schikanen der EU-Fördergeber, die Quälereien der Agrarmarkt Austria, vor deren Kontrolloren die Bauern hier zittern, wie Bachler erzählt. Die Arroganz der schwarz regierten Bauernkammer reibt ihn auf, weil sie die Bauern wie dummes Vieh auf den falschen Weg geführt habe.

Bachler produzierte jahrelang, so wie von der Kammer erwünscht, Masse statt Qualität. Man solle „fit für die Zukunft“ sein, habe man den Bauern hier eingeredet. Der Milchpreis werde explodieren, „weil die Chinesen saufen uns leer“, und ganz Asien sei „aufs Milchsaufen draufgekommen“.

Dann kam die Wirtschaftskrise, und der Milchpreis sank von 40 auf 23 Cent, „das Mineralwasser ist heute teurer als unsere Milch“, sagt Bachlers Mutter. Die Banken seien jetzt die neuen Lehensherren, die Almen, seit Jahrhunderten bewirtschaftet, ihr wertvolles Pfand. Und niemand reiße das Maul auf. In der Politik nicht und in der Kammer nicht. Denn „die Sturschädeln und Querdenker, jene, die etwas weiterbringen wollen, werden von den Parteien einfach weggewaschen“. Man müsse kuschen, sonst werde man fertiggemacht. Bachler hat sich sogar einmal bei den Grünen Bauern engagiert, doch die Lust habe ihn verlassen, als die Ökos dazu aufriefen, mit rosa Traktoren auf die Love-Parade zu fahren, um sich mit schwulen Bauern zu solidarisieren. Ja, das sei eh wichtig, aber die Probleme der Bauern hier seien doch anderer Art.

Bachler hält den verbeulten Wagen an, sein pummeliger Hund Nessy empfängt uns mit Gebell. Er führt mich nun in sein Bauernhaus. An der Wand ein „Ehrendiplom“ für die Großeltern aus dem Jahre 1964 für „30-jährige treue Bauernarbeit“, ausgestellt von der Landeskammer. Bachlers Mutter steht an ihrem mit Holz beheizbaren Herd und serviert butterweiche, köstliche Koteletts zur Begrüßung, die Bratkartoffeln sind traumhaft fett. Bachler erweist seinem Gast alle Ehre. Die Bachlers wohnen in schlichten, aufgeräumten Zimmern, und sie haben Humor: In der Dusche blickt ein fröhliches Mangalitza­schwein von der Wand, Bachler hat es in Lebensgröße auf ein Plakat gedruckt.

Neben dem Haus öffnet sich sein großer Stall, durch den die Ferkel flitzen, weil Bachler ein bisschen Regenwasser stehen gelassen hat. In den Lacken zappeln Fliegenmaden, ein Genuss für die Sauen, die mit dem Hofhund raufen. Rundherum 20 Hektar Land, auf dem Weidegänse, Hühner und prächtig fette Puten Heuschrecken von den blühenden Gräsern knabbern. Ein Bilderbuchbauernhof ist das hier, glückliche Tiere, gefüttert nicht mit Soja aus dem Amazonasgebiet, sondern mit dem Gras, das ringsum wächst.

Aber was bringt Bachler das alles, außer einem reinen Gewissen? 26 Kühe und 60 Schweine füttert er hier durch, aber er lebt nach Abzug aller Ausgaben und Kreditraten von einem Gehalt von rund 800 Euro. Ohne EU-Prämien wäre er am Ende, die Schulden für den Stall sind erst in 20 Jahren getilgt.

Die wenigen Tourismusbetriebe in der Region, so klagt er, kaufen billiges Importfleisch aus Deutschland, obwohl seine Ware aufgrund der Almkräuter, die die Tiere fressen, einen so feinen Geschmack hat, „dass das Kobe-Rind einpacken kann“.

Auf der Küchenbank liegt wie zum Beweis ein Prospekt des Gastrogroßhändlers Transgourmet. 16,66 Euro kostet das Kilo Rindslungenbraten aus Deutschland, 70 Euro verlangt Bachler ab Hof. Für nur 6,66 Euro ist das Kilo Schweinslungenbraten zu haben. Wie soll ein anständiger Bauer mithalten? Wie soll er überleben bei diesem unlauteren Wettbewerb mit den Nachbarn? 350 Euro verdiene ein Landarbeiter in Ungarn, sagt Bachler und haut auf den Tisch. Und auf einem Bauernhof im Osten könnten auf der gleichen Fläche doppelt so viele Puten gehalten werden wie hier. Das solcherart produzierte Billigfleisch liege aber dank EU auch bei uns im Regal. „Aber wem kann man es verdenken?“, wirft Bachlers Mutter ein. „Mit Schweinefleisch kriegt man seine Familie satt, mit Paprika eben nicht, obwohl er dasselbe kostet.“ Viele Familien hier leben von 1200 Euro im Monat.

Frau Bachler reicht Topfenstrudel als Nachspeis, und ihr Sohn erzählt, dass die Bauern mit dieser Industrieproduktion einfach nicht mehr mitkämen, obwohl sie jahrelang auf Wachstum konditioniert worden seien: „Dänemark ist Vorbild! Das hämmerte man uns ein.“ Dänemark! Einmal habe er eine Betriebswirtin aus Kopenhagen beherbergt. Ab 10.000 Schweinen, so rechnete sie ihm vor, sei ein dänischer Betrieb rentabel. Sechs Euro verdiene ein dänischer Bauer pro Sau, die die Sonne nie gesehen habe. Wenn das Vieh dann doch ein paar Stunden an die frische Luft getrieben werde, müssten Landarbeiter aus dem Osten die Köpfe der Tiere mit Sonnencreme einschmieren, weil sie sich sonst den rosa Rüssel verbrennen und nicht mehr schnell genug fressen können. „So pervers ist das“, sagt Bachler.

Wir spazieren hinüber zum Gehege, wo er im März das Wutvideo aufgenommen hat. Ich solle die Schweine mit Getreide füttern, trägt er mir auf. Die Sauen schlunzen, und dann grunzen sie, dass es eine Freude ist. Bachler züchtet hier keine Sonnenbrandschweine, sondern eine rare, fürs Gebirge geschaffene Rasse. „Alpen-SUVs“ nennt er sie wegen der langen Beine. Die letzten Exemplare habe man bei alten italienischen Bauern entdeckt. 1916 seien die Tiere mit Zuchtverboten fast ausgerottet worden, weil sie nicht fett genug gewesen seien für die vom Weltkrieg geplagte Bevölkerung. Bachler aber schätzt die Alpenschweine, denn er kann sie mit Gras anspecken statt mit Regenwaldsoja.

Man wird wütend auf die Massenbetriebe, auch auf sich selbst, wenn man Bachlers Tiere hier in der Natur spielen sieht. Wütend auf die eigenen Ernährungsgewohnheiten. Wie die Tiere hier einander jagen, wie sie bei Wetterumschwüngen Mulden graben, wie sie miteinander herumtollen: fette, fellige Tiere, gefüttert mit gekochten Kartoffeln oder Schrot. Ein billiges Kindergartenschnitzel, wie von FPÖ und SPÖ im Wahlkampf gefordert, geben die Viecher natürlich nicht her.

Wie anders ist die Welt hier als in diesen Megamastbetrieben und Turbo­schlachthöfen, die Bachler einmal besucht hat und nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Ausgebeutete Arbeiter aus Osteuropa, „arme Schweine“, wie Bachler sie nennt, hätten an den Schlachtfließbändern gerade einmal sechs Sekunden Zeit, um eine Sau abzustechen. Dabei wisse jeder Bauer, „dass es zwei Minuten braucht, ehe das Leben aus einem Schwein verschwunden ist“.

Völlig wertlos seien solche Tiere heute. In den 70er-Jahren, erzählt Bachler, hätte sein Onkel für sechs Ochsen noch einen Traktor bekommen, so wertvoll seien Tiere gewesen. Und was bekommt er heute? „Die Reifen.“ Alte Schafe werfen die Bauern überhaupt nur noch in die Kadavertonne, seit der private Ab-Hof-Verkauf an Muslime nicht mehr gestattet ist. „Das Schächtverbot gibt uns den Rest.“

Nicht nur das Billigfleisch, vor allem auch der Klimawandel wird die Gegend hier verändern. Und mit ihr den Tourismus und alles, was an ihm hängt. Wenn Bachler aus dem Fenster auf die Berge blickt, dann sieht er die Baumgrenze nach oben klettern. Die Almen, auf denen die Touristen so gerne wandern, wachsen zu, die Fichten machen den Boden sauer. Aufgrund des Rückgangs der Almwirtschaft, insbesondere des Verschwindens der Schafe, wurzelt auch das Gras nicht mehr tief genug. So wird der Humus im Winter von riesigen, betonschweren Lawinen mitgerissen, die dann auch noch Geröll ins Tal schleudern. Wertvolle Almböden seien auf Jahrzehnte vernichtet, und damit sei auch die Agrarförderung für die Flächen dahin.

Nächster Tag, wir trinken Filterkaffee, auf dem sich die Milchhaut spannt. Dann ziehen wir los auf die Alm. In einem alten Opel-Kühlwagen, dessen Frontscheibe zersprungen ist, geht es über eine Schotterstraße hinein in ein kühles Tal namens Krakauschatten. Hinten im Laderaum sitzt Nessy, der Hirtenhund, neben ihm liegt die Motorsäge, mit dem Bachlers Freundin die wuchernden Wacholder kaputtschneiden wird. Vorher sammelt sie noch die Beeren. Abends wird sie die Früchte mit Bachlers Mutter sorgfältig rebeln, für den Gin.

Die Steige hier sind an manchen Stellen so steil, dass man bei einem falschen Schritt mit etwa 80 km/h ins Tal stürzen würde, sagt Bachler. Er kennt die Verletzten, er arbeitet bei der Bergrettung. Meine Aufgabe heute: Ich darf die Kuhgatter öffnen, den orangen Kübel mit der geschroteten Gerste tragen und einen kleinen störrischen Stier streicheln, den Bachler „Kleiner Falter“ taufte. Einmal rennt mich beinahe eine fette Kuh um, die lautlos auf mich zustürmt. Hund Nessy zwickt sie gerade noch rechtzeitig in den Hinterhaxen und rettet mich. Es kann schnell gehen.

Das Tagesprogramm: Leberegelbehandlung der Yaks, dann Suche nach einem entlaufenen Kalb, das Bachler schon abgestürzt wähnt. Um das Tier zu suchen, stapfen wir eine mit märchenhaften Zirben bewachsene Weide hinauf, wie bei den Hobbits in Tolkiens Mittelerde sieht es hier aus. Bachler reicht einen Zirbenzapfen, wir knabbern an den Kernen. Zirben sind der einzige Rohstoff, der wirklich noch Geld einbringt, sagt Bachler. Zirbenholz ist gefragt, es beruhige den Herzschlag, es dufte, und aus den Bockerln brennt er würzigen Schnaps.

Aber das ist schon alles: Die Forstwirtschaft bringe kein Geld mehr ein. Die Hitze schwäche die Wälder, die Borkenkäfer verwandelten den Forst in „Käferholz“. Die Notschlägerungen drückten den Preis. Dem nicht genug, hätten die Manager einer Papierfabrik den Bauern sogar erklärt, dass sie ihr Holz nun aus Venezuela importieren würden. Und wie zum Beweis für die Misere läutet das Telefon, und am Apparat ist eine Bäuerin, die Bachler gerade erzählt, wie man ihr den Holzpreis drückt. Er sagt zu ihr: „Die bringen uns noch um mit ihrem Geiz.“

Klimawandel, Fleischindustrie, Behördenschikanen, fallende Preise, die Launen der Weltmärkte, die Abwanderung: Wie wird das hier weitergehen? Bachler sagt, er habe umzudenken begonnen, und auch die Leute in den Städten sollten es tun, wenn sie im Supermarkt stehen. Er wolle Tieren ihre Würde belassen und damit ein Auslangen finden. Wir sollten weniger Fleisch essen, weniger geizen, dar­an denken, dass Fleisch ein Lebensmittel war, das einmal Augen hatte.

Es ist der letzte Abend. Wir essen Speck, den seine Mutter auf einer Schneidemaschine so hauchdünn aufschneidet, dass er auf der Zunge zergeht. Dazu selbstgestopfte Würste, so würzig und fein, als wären sie aus Wiens bestem Oberbobo-Delikatessenladen importiert. Eine Touristin aus Deutschland sitzt auch in der Küche. Sie ist wegen der Almen gekommen. Bachler zeigt ihr am Handy Videos von archaisch anmutenden Faschingsumzügen. Die Männer tragen alte Masken, gefiederte Hüte, sie sind als Pferde verkleidet oder als Narren, sie spielen ein Ritual, das hunderte Jahre alt sein muss. Eine stolze Dorfgemeinschaft im besten Sinne. Aber wie lange noch? Bachler sagt: „Wir stehen am Abgrund.“